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Donnerstag, 6. Oktober 2016

Die Katze und der Oktopus - Lesung Marianne Dissard und Alfred Goubran, Arena Bar, 5.10.2016



Die gewohnten spanischen Stierkampfszenen auf den roten Wandleuchten sind den liebevoll gestalteten Silhouetten schwarzer Katzen gewichen, was der schummrigen Arena Bar ein dezent französisches Flair verleiht. Fast könnte man glauben, die Dekoration wurde extra für den heutigen Auftritt von Marianne Dissard geschaffen, wird sie doch aus dem Manuskript ihres Buches mit dem Titel "The Cat Not Me - Junk Memoirs of a Yogini" lesen. Der zweite Gast ist der Schriftsteller Alfred Goubran. Eine spannende Kombination, eine Musikerin, die ihren ersten Roman schreibt, und ein Schriftsteller, der sich als Sänger ein zweites Standbein geschaffen hat.


Zu verdanken haben wir diesen einzigartigen Abend der Initiative von Alexander Kaliwoda, der auch moderiert und die Gestaltung übernimmt. Zwischen den Lesungen sehen wir Videos einiger Songs der beiden Künstler. Auch dabei sind Parallelen zu erkennen, beide arbeiten gern mit altem S/W Filmmaterial.

Marianne Dissard, Französin, die lange in Tucson, Arizona im Umfeld der Band "Giant Sand" gelebt, gearbeitet und musiziert hat und nun nach Europa zurückgekehrt ist, liest englisch mit charmantem französischem Akzent. Das hilft mir sehr beim Verstehen der Texte. Beide lesen natürlich nur kurze Ausschnitte ihrer Werke. 

Der Roman von Marianne Dissard wird voraussichtlich erst nächstes Jahr erscheinen, im Moment kämpft sie noch mit dem Ende erzählt sie. Sie liest aus einem dicken, gebundenen Manuskript, dem man die Arbeit ansieht, die darin steckt.




Soweit ich aus den Ausschnitten urteilen kann, hat das Werk starke persönliche  Bezüge zum Leben der Autorin, wenn es nicht überhaupt eine Autobiographie ist. Sie erzählt aus einem (ihrem?) nicht einfachen Leben zwischen Amerika und Europa. Die Schilderungen der schweren Essstörung der Hauptdarstellerin wirken schmerzhaft authentisch, reine Fiktion können sie wohl nicht sein. Trotzdem hat die Geschichte einen leichten, ironischen Tonfall, mit viel Wortwitz, und was das Ende betrifft darf man hoffen, dass die Erzählerin wie die Katze auf den Füßen landet. Die Ausschnitte haben mich auf jeden Fall auf das ganze Buch neugierig gemacht, in die Mailingliste habe ich mich schon eingetragen.




Auch Alfred Goubran´s Roman "Das letzte Journal" ist aus der Sicht des Schriftstellers Aumeier in Form eines Tagebuchs geschrieben. Die Geschichte des Zusammentreffens mit seiner Jugendliebe und die darauffolgende Aufarbeitung seiner Vergangenheit benutzt Goubran als als Basis für weit ausholende, kritische Betrachtungen zum Wesen des Österreichers, stellt Beziehungen zum Leben von Jan Hus, dem Prager Progrom 1389 und zur Vertreibung der Sudetendeutschen her. Besonders verhasst ist ihm die Verlogenheit, das Falschsein aus Angst vor dem Anderen - im Literaturbetrieb genauso wie in der Politik, Kirche, Schule. Die messerscharfen Worte des Autors, vorgetragen mit überraschend sanfter Lesestimme, treffen zielgenau.  




Als zweiten Ausschnitt hat er eine lyrische Passage gewählt, die Begegung mit einem Oktopus in einem Aquarium in Triest. bedrohlich und schön. (Das Aquarium kenne ich, allerdings haben wir dort den im Reiseführer beschriebenen Pinguin gesucht, nur um zu erfahren, dass er vor einem Jahr verstorben war.) 

Insgesamt eine sehr anregende Veranstaltung, zwei Romane und zwei interessante Persönlichkeiten, die man nicht so schnell vergisst.