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Donnerstag, 22. Februar 2018

Musik für die wichtigen Dinge im Leben - Vienna World Orchestra, Musikverein Wien - 20.2.2018

Es war die letzte Worldmusicsession im Kulturraum Neruda vor der Sommerpause, das Lokal war voll und die Stimmung fühlte sich ein bißchen an wie in den letzten Schultagen, wehmütig, weil man sich eine Zeit nicht sieht, voller Vorfreude auf den Sommer, aber in der Hoffnung, vorher noch etwas Besonderes zu erleben.
 Anders als sonst war diesmal kein Line-Up für den Abend angekündigt, und niemand wusste genau, wer auftreten würde. Mahan Mirarab, der Gitarrenzauberer und Leiter der Worldmusicsession war natürlich dabei, und die außergewöhnliche Sängerin Golnar Shayar, ebenso wie der Schlagzeuger Jörg Mikula.

An der Bar stand Efe Turumtay mit seiner Violine, im Gespräch mit dem Bassisten Jose Ramirez, und als dann noch Paul Dangl und Simon Schellnegger eintrafen, flüsterte mir die Cellistin Rina Kaçinari verschwörerisch zu: "Heute wirst du einen Auftritt des Vienna World Orchestras erleben!" Mir war damals gar nicht klar, wie einmalig dieses Ereignis war, denn diese Band, die hier im Neruda durch wöchentliches Jammen entstanden und gewachsen ist, kommt nur alle heiligen Zeiten zusammen, und die sind nicht sehr oft. Es wurde ein denkwürdiger Abend.

Seitdem ist ein dreiviertel Jahr vergangen, und meine Vorfreude hier im gläsernen Saal des Musikvereins ist dementsprechend groß. Der Rahmen ist hier natürlich ein anderer als im Neruda, und die ersten Minuten wirken die Musiker etwas eingeschüchtert von dem Saal, der von innen an die Elbphilharmonie von außen erinnert. Aber dann übernimmt die Musik, und schon das erste, rockige Stück reißt die Zuseher zu Begeisterungsstürmen hin. Im Lauf des Abends deckt die Band eine unglaubliche Bandbreite an Stilrichtungen ab. Jeder Musiker, jede Musikerin bringt ihre/seine musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten mit, und gemeinsam erschaffen sie einen Klangkosmos, der viel mehr ist als die Summer der musikalischen Hintergründe jedes einzelnen. Es ist eine Freude, dem Orchestra beim Spielen zuzusehen, wie sie aufeinander hören und reagieren, sich freuen, wenn eine Idee gelingt. Vor vielen Nummern sprechen die jeweiligen Komponisten über die Entstehungsgeschichte, die Kompositionen sind meist den Dingen gewidmet, die im Leben wichtig sind: den Kindern, der Familie, dem Lernen über das Leben, dem Zwiegespräch mit der Natur, aber auch den Schicksalen in (Nach)Kriegszeiten.

Natürlich darf auch "Derakht"nicht fehlen, das Herzstück der neuen CD von Golnar und Mahan, in einer Orchestraversion, bei der Golnar sich beim Singen nicht zurückhalten muss und es mühelos mit dem ganzen Orchester aufnimmt.
Efe Turumtay hat bei seiner Komposition, die als fast klassisches Streichquartett beginnt, eine türkische Tonleiter als Inspiration genommen. Jörg Mikula zeigt an seinem Schlagzeug, dass er von subtilen bis hämmernden Rockrhythmen alles beherrscht, unterstützt von den fetten Basslinien von Jose Ramirez. Und so weiter, man kommt aus dem Schwärmen und Staunen und Klatschen gar nicht heraus.


Aber leider, nach einer A-Capella Einlage und einer Zugabe ist auch dieses Konzert zu Ende, und vielleicht dauert es ja diesmal bis zum nächsten Zusammentreffen nicht so lange. In der Zwischenzeit kann ich nur empfehlen, den anderen Aktivitäten der einzelnen Mitglieder des Orchestras zu folgen, es lohnt sich!