Sonntag, 26. Februar 2017

Ein nie endendes Lied - Worldmusic Sessions mit Sakina, Kulturraum Neruda, 23.2.2017



ImKulturraum Neruda erwartet mich eine Überraschung: die Bar wurde in den hinteren  Bereich verlegt, dadurch ist vorne vor der Bühne viel mehr Platz für die ZuhörerInnen. Eine gute Lösung finde ich, die Bar ist gleichzeitig durch die Säule etwas abgeschirmt. Aber sonst ist alles gleich geblieben, ein paar Tische mit Klappsesseln; nach und nach, als sich das Lokal füllt, werden weitere Stühle aufgestellt. Einige der Zuhörerinnen habe ich schon öfter hier gesehen, es ist eine bunt zusammengewürfelte Menge.



Der Abend beginnt mit einem Auftritt von Sakina Teyna und Mahan Mirabab. Beide habe ich schon in unterschiedlichen Bandformationen gehört, aber noch nie zu zweit. Die beiden entwickeln einen fein nuancierten musikalischen Dialog, Sakina mit ihrer vielseitigen Stimme und Mahan Mirarab auf seiner doppelhalsigen Gitarre. Am zweiten Hals hat sie keine Bünde, so dass der Meistergitarrist darauf auch Töne zwischen den Halbtönen erzeugen kann, gleichzeitig ist ihr Klang weicher, schwebend.

Das Publikum nimmt von Anfang an aktiv am Konzert teil, viele Lieder sind bekannt und werden mitgesungen. Die einfacheren Varianten schaffe ich zumindest. Sakina erklärt zu einigen Liedern die Entstehungsgeschichte und die Hintergründe, viele Lieder stammen aus ihrer kurdischen Heimat.
Oft geht es um großes Leid, werden Massaker beschrieben und betrauert, aber viel öfter geht es um  Liebe und um die Freude am Leben. Ich verstehe keine Texte, aber das ist auch nicht unbedingt notwendig, denn die tief empfundenen Emotionen werden durch die Melodien, durch den Ausdruck der Sängerin und den Reaktionen des Publikums vermittelt. Diese Musik spricht eine tiefere Ebene an, die auch ohne Sprache versteht.

Dass Musik eine universale Sprache ist, wird mit dann besonders im Sessionteil des Abends bewusst. Nach einigen Sessions weiß ich schon, was mich erwartet, trotzdem bin ich immer wieder überrascht, wie viele unterschiedliche MusikerInnen hier zusammenkommen und gemeinsam musizieren. Manche entscheiden sich offenbar erst in der Pause, ob sie mitmachen oder nicht. Es sind gar nicht genug Plätze im Kreis vorhanden, auch die zweite Reihe macht mit. Neben mir nimmt der Bassist, den ich kurz davor mit der Mango Street Band gesehen habe Platz, und am Boden sitzt auch Mahmod Salah Moneka, der zwei Wochen davor im Siebenstern mitgesungen hat.

Zuerst wird noch ein erkennbarer Song gespielt, aber dann gehen die Melodien ohne Unterbrechung ineinander über, ein nie endendes Lied. Mahan Mirarab hebt die Augenbrauen und schon wird der Rhythmus gewechselt. Die Musiker kommen und gehen, nicken sich nach einem gelungenen Solo anerkennend zu, das Publikum singt oder klatscht mit.  Am Ende des Abends - genauer gesagt am Ende des Abends für mich, denn die Session geht noch lange, nachdem ich schon gegangen bin weiter - greift auch der Gründer des Kulturraums Neruda zu Bongo-Trommeln und macht mit.