Sonntag, 8. Juli 2018

Rote Tänze im Freihausviertel - Princesse Angine, 1. Juli 2018


Lange habe ich keinen Blogbeitrag geschrieben, nicht, weil ich keine guten Konzerte gesehen hätte, sondern weil die Zweifel über meine niedergeschriebenen Worte spätestens nach dem ersten Absatz so groß wurden, dass ich alles wieder gelöscht habe. Das wurde nach jedem weiteren Versuch schlimmer, bis ich mich gefragt habe, warum überhaupt einen Versuch starten?


Aber der Auftritt von "Princesse Angine" letzte Woche beim Freihausviertelfest hat so in mir gearbeitet, dass ich einen neuen Anlauf starte, und diesmal höre ich nicht auf, bis ich auf den "Beitrag veröffentlichen" Button drucke. Warum? Weil Princesse Angine auch nicht aufgegeben haben. Weil sie trotz - oder gerade wegen - ungünstiger Bedingungen einen Auftritt geschafft haben, der mitgerissen hat, der gelebt hat, der Rock´n´Roll war!
Und es waren wirklich ungünstige Bedingungen. Den Sound für eine Rockband mit 3 Streichinstrumenten hinzukriegen, ist schon von Haus aus schwer, und dann noch im Freien, wenn der Wind dreinfahrt und die Zeit für den Soundcheck begrenzt ist, das muss die Hölle sein, für den Soundtechniker und die Musiker_Innen.
Die Zeit drängt, um 23:00 muss Schluss sein, und daher muss gestartet werden. Es ist nicht das erste Konzert der Band, das ich sehe, gerade eine Woche davor haben sie im vollen "Porgy und Bess" die Songs ihrer neuen CD "Krasnye tanzy" (Rote Tänze) vorgestellt. Sie haben in unterschiedlicher Besetzung seit der Gründung 2014 zahllose Konzerte unter anderem in der russischen Föderation, im Baltikum und natürlich in Österreich hinter sich. Die dabei entwickelte Routine hat sicher geholfen, aber bei den ersten Songs werfen sich die Musiker_Innen schon manchmal verzweifelte Blicke zu, wenn es aus den Lautsprechern kracht oder sie sich selbst nicht hören können.
Xenia Ostrovskaya, die Sängerin und Gründerin der Gruppe, schafft es, das Publikum zu elektrisieren, von der ersten Nummer an, nicht nur mit ihrer Stimme, sondern auch mit ihrer optischen Erscheinung. Die Kombination Reifrock und Siouxsie Make-Up sieht man schließlich nicht alle Tage!
Die Setlist setzt sich aus Songs der ersten und der neuen, noch nicht erschienenen CD zusammen, und auch aus Nummern, die dazwischen als Single erschienen sind. Das Zusammenspiel von Streichern und Rockband erschafft einen Sound, der Möglichkeiten eröffnen, sowohl Richtung Rock, als auch Folk und Klassik. Die Streicher sind keineswegs nur eine Ergänzung, sondern setzen durch die ausgefeilten Arrangements eigene Akzente und Kontraste, die aus dem Gesamtsound nicht wegzudenken sind. Dass so ein Konzept nur mit ausgezeichneten Musiker_Innen funktioniert, versteht sich von selbst.
Mittlerweile sieht man der Band die Soundprobleme nicht mehr an, vielleicht ist der Sound besser geworden, oder die lautstark begeisterten Zuseher haben ihre Zweifel weggeblasen, oder sie lassen sich wie wir von der Musik mitreissen, egal.  Nach ein paar rockigen Nummern gibt es dann sogar zwei Songs nur mit Sängerin und Streichertrio zu hören, die sogar die la
utesten Zuschauer zum gespannten Zuhören bringen.
Meine Lieblingssongs sind auch dabei, zum Beispiel von der ersten CD der Song "Bad News", ausnahmsweise in Englisch. Oder die Hommage "Sting", über die sich die heutige Bassistin Andrea Fraentzel sicher freut, ist sie doch selbst ein bekennender Sting Fan. 
Bei vielen Songs würde ich gerne mitsingen, mangels Sprachkenntnisse schaffe ich aber bestenfalls eine lautmalerische Annäherung.
Xenia Ostrovskaya tanzt und singt mit hunderprozentigem Einsatz, steigert sich von Song zu Song, und das Publikum geht mit, bis "Ne Potjanesh!" auch die letzten zum Tanzen bringt und das Konzert schließlich beendet. Viel zu schnell ist die Stunde um, und Zeit für eine Zugabe bleibt nicht mehr, aber diese Stunde wird wohl vielen im Publikum unvergesslich bleiben.