Mittwoch, 2. November 2016

Zwei Tage Patti Smith in Wien - Patti Smith #2 (Heroes #2)




Eigentlich wollte ich im zweiten Teil meines Beitrages über Patti Smith erzählen, welchen Einfluss sie auf mein Leben hatte, wieviel ich durch sie entdeckt habe, zu wieviel ich inspiriert wurde. Ohne sie, die ein großer Opernfan ist, hätte ich wahrscheinlich nie die Welt der Oper kennengelernt, hätte ich die Beat-Poeten - Allen Ginsberg, Jack Karouac, Gregory Corso, William S. Borroughs - , aber auch Arthur Rimbaud nie gelesen, hätte ich nie so viele nette Menschen aus anderen Ländern kennengelernt, einige davon sind bis heute meine besten Freunde, auch wenn wir uns nicht mehr so oft sehen können. 




Aber dann, drei Stunden vor dem Beginn, habe ich von völlig unerwarteter Seite Tickets für ihr Konzert im Rahmen der Viennale im Gartenbaukino bekommen, und das hat meine Pläne natürlich über den Haufen geworfen. Im Kino herrscht schon im Foyer eine freudig-erregte Atmosphäre, und Patti Smith und Tony Shanahan - normalerweise der Bassist ihrer Band, aber diesmal als Gitarrist und Pianist dabei - werden herzlich empfangen. Die Reduktion auf Gitarre, Klavier und Stimme offenbart neue Seiten an den bekannten Songs und der Text schleicht sich in den Vordergrund. Noch dazu erzählt sie zu einigen Songs etwas über die Entstehungsgeschichte. Die Geschichte, wie sie das Tape von Bruce Springsteen mit seiner Fassung von "Because the Night" bekommen hat, es aber aus Sturheit und vielleicht auch Stolz lange nicht angehört hat, habe ich sicher schon einige Male gehört und gelesen, aber trotzdem wirkt sie frisch und charmant. Auch von ihrem ersten Konzert im Wiener Konzerthaus 1976 erzählt sie, und wie sie doch noch zu einem Foto von Wittgensteins Heizkörper gekommen ist. 

Über "Jackson Song", den sie für ihren Sohn geschrieben hat, einer meiner liebsten, aber nicht oft gespielten Songs,  freue ich mich ebenso sehr wie über "Pissing in the River", beides mit Tony Shanahan am Piano. 

Als Zugabe des gut einstündigen Konzertes spielt sie natürlich "People have the Power", die Zuschauer stürmen endlich nach vorne und es gibt auch im Gartenbaukino Rock´n´Roll Stimmung. 

In der Aufregung über das Konzert vergesse ich völlig den für den folgen Tag angekündigten "Artist Talk", erst im letzten Moment werde ich zufällig daran erinnert, schnappe meine kleine Kompaktkamera und fahre in die Alte Post. 

Das Thema des Künstlergesprächs mit dem mit Patti Smith befreundeten Regisseurs Jem Cohen ist ihre Ausstellung von 28 Polaroidfotografien, die im Metrokino gezeigt wird. Ich habe Patti Smith schon immer gerne beim Erzählen zugehört, sogar, wenn ich ein Interview oder eines ihrer Gedichte lese, höre ich ihre Sprechstimme im Kopf. In gewisser Weise ist der Abend heute fast noch schöner als das Konzert gestern, es ist eine persönliche, entspannte Atmosphäre, und man merkt, dass die beiden gut befreundet sind, auch wenn Patti lachend zugibt, dass sie normalerweise nicht über diese Themen sprechen.

Sie erzählt über ihre Liebe zu ihrer alten Land 250 Polaroid Kamera mit all ihren Macken und Defekt. Sie erzählt, dass heute noch Menschen zu ihren Konzerten kommen und ihr alte Polaroid Filme bringen, die sie jahrelang im Eiskasten gelagert hatten. Und manchmal kann sie sie sogar verwenden. 

Was mich schon immer an Patti fasziniert hat, ist auch heute spürbar, dass sie einerseits wie ein Mensch aus einer anderen Epoche wirkt, mit ihrer unerschütterlichen Bewunderung anderer Künstler und ihrer Vorliebe für tote Gegenstände aus deren Leben - Hermann Hesses Schreibmaschine, Wittgensteins Heizkörper oder Robert Mapplethorpes Schuhe, andererseits aber auch die moderne Welt akzeptiert und reflektiert. So kann sie sogar Instagram Gutes abgewinnen, weil Menschen damit ihre Kreativität entecken können. 

Ihr Sohn glaubte früher, dass seine Mutter aus einer Zeit stammt, in der die Welt Schwarz/Weiß war, und zwar wörtlich, weil sie immer gerne alte Fotos und Filme betrachtet hatte, und sie tat ihm leid. Er dachte, erst in seiner Zeit habe es Farbe gegeben. Und so ganz abwegig erscheint das heute nicht mehr.