Samstag, 18. April 2020

Immer noch A Batzn Hetz - Robert Fischer im Porträt

2019
Später Nachmittag. Mein Handy brummt. Eine Nachricht von Robert Fischer.
“Hast du morgen Abend schon was vor?”
Ich schaue auf den Kalender, sehe einen eingetragenen Termin, zögere aber mit einer Antwort.
“Warum?”
“In der Arena Bar spielt eine ganz tolle österreichische Band, die musst du dir ansehen!”
Ich spüre Roberts Begeisterung durch das Display. Er ist Konzertveranstalter und Journalist, aber in erster Linie Musikfan. Er kennt die Musikszene in Wien in- und auswendig, trotzdem freut er sich wie ein Schneekönig, wenn er wieder einmal eine musikalische Entdeckung gemacht hat. In vielen - wenn auch nicht in allen Bereichen - ist unser Geschmack sehr ähnlich.

Das liegt vielleicht daran, dass unsere musikalische Sozialisation einige Parallelen aufweist.

“Meine Mutter war Abonnentin bei Donauland und hatte dadurch eine kleine Plattensammlung.”, erzählt er. “Da war alles dabei, Klassiker wie z.B. Glenn Miller, Georg Danzer,  aber auch damals gerade aktuelle Platten von Maria Bill oder Alan Parsons Project. Über Donauland durfte ich mir meine erste LP bestellen, das war “Zwischen Eins und Vier” von Rainhard Fendrich. Im Blumengeschäft meiner Eltern, bei denen ich eine Lehre gemacht habe, lief die ganze Zeit das Radio. Ö3 war damals noch ein Supersender mit tollen Moderatoren, die einfach spielten, was ihnen gefiel. Das war die Blüte des Austropop, EAV, Wolfgang Ambros, MO, Andi Baum, Boris Bukowski, Falco, auch  Ostbahn-Kurti wurde gerade bekannt.”

2020
Mit dem Lehrgeld kaufte sich Robert die ersten Konzerttickets.

“In der Z (Zentralsparkasse) lag immer der “Mailer” auf, das Programmheft des Z-Clubs, über den man verbilligt Tickets bekam. Ich ging damals einfach so ins Blaue auf Konzerte, von den Künstler*innen wusste ich oft nicht mehr als in der kurzen Vorschau des “Mailers” stand. Da waren schon sehr interessante Entdeckungen dabei, im alten Messepalast sah ich zum Beispiel Sinead O´Connor oder die Sugarcubes mit Björk. Ein besonderes Erlebnis für mich waren die “Rainbirds”. Auch Tanita Tikaram spielte damals das erste Mal im Metropol, Michelle Shocked im CA-Zelt.”

Dann entdeckte er Bob Dylan.

“Ich bekam damals mit, dass es jede Menge Aufnahmen von seinen Konzerten gibt, eine richtige Szene, und ich wollte da auch mitmachen. Ein Freund von mir hatte einen Walkman, das waren meine ersten Aufnahmeversuche. Das Ergebnis war natürlich reine Glücksache.”

Auch heute nimmt er so gut wie jedes Konzert auf, das er besucht. Technisch ist er mit Harddiskrecorder bestens ausgestattet. Mittlerweile hat sich schon eine gewaltige Menge an Aufnahmen angesammelt, die wahrscheinlich einen schönen Überblick über drei Jahrzehnte Wiener Musikgeschichte bietet. Für Robert sind es persönliche Erinnerungen an einmalige Konzerterlebnisse. 

2017
 “2005  begann ich über Musik zu schreiben. Der Journalist Manfred Horak gründete “Kulturwoche.at” und fragte mich, ob ich mitmachen wolle. Ich merkte bald, dass ich schreiben kann und dass es mir Spaß macht,  dass ich gerne mit Musikern rede, über ihre neuen Platten oder alles mögliche.”

Mittlerweile schreibt Robert für den “Augustin”, den Blog “Littledogtown” und den eigenen Blog “A Batzn Hetz”.  Einige Jahre später organisierte er schließlich seine erste Veranstaltung.

“Freunde von mir veranstalteten schon länger Konzerte, Jürgen Plank im WUK, oder Othmar Loschy. Im Cafe Concerto organisierte er Tribute Abende für Bob Dylan oder Tom Waits, die kamen immer gut an. Das brachte mich als Ostbahnkurti-Fan auf die Idee, einen Tribute-Abend für Günter Brödl, den leider viel zu früh verstorbenen “Erfinder” der Figur des Ostbahnkurti zu organisieren, und ich versuchte es einfach.”

“Ich hatte das Glück, dass der Kulturveranstalter “Aktionsradius Wien” damals die Arena Bar in Margareten als Veranstaltungslocation entdeckte, ein ehemaliges Rotlichtlokal mit einzigartiger Plüsch-Atmosphäre, aber ohne Kundschaft. Der Aktionsradius Wien erkannte das Potential und steckte viel Geld in die technische Ausstattung: Elektrik, Sound, Beleuchtung. Sie hielten dort Veranstaltungen ab, ich durfte die Konzerte organisieren und der Aktionsradius Wien machte die Werbung.”

Der erste Tribute-Abend war ein großer Erfolg, es folgte ein nächster mit Lesung, Gesprächen mit Weggefährten des “Trainers” und natürlich Livemusik. Schließlich entstand die Reihe “A Batzn Hetz”, die von 2010 bis 2016 lief.

“Höhepunkte waren sicher die Auftritte von Willi Resetarits und Birgit Denk mit ihrer Band!”, schwärmt Robert noch heute davon. Einmal auf den Geschmack gekommen, gesellten sich Tribute-Abende für Georg Danzer, Ludwig Hirsch, Tom Waits, Bob Dylan, Leonard Cohen und seit letztem Jahr auch Joni Mitchell dazu.

“Es besteht ein Riesenbedarf an derartigen Veranstaltungen. Die alten Zeiten werden gerne zelebriert. Es gibt viele Menschen meiner Generation, die diese Musiker lieben, über sie hören und ihre Musik live erleben wollen.”

Sorgfältig stellt Robert das Programm zusammen, die Gäste auf der Bühne sind handverlesen, und er greift tief in die eigene Sammlung und präsentiert rare Videos und Interviews.

“Das erste Leonard Cohen Tribute ein Jahr nach seinem Tod verlief so erfolgreich, dass wir über tausend Anfragen hatten, beide Abende in der Arena Bar waren ausverkauft. Es riefen sogar Leute an, die wissen wollten, ob Leonard Cohen tatsächlich selber auftreten würde.”

Alex Miksch -  Leonard Cohen Tribute 2017 
Wie wäre es mit einem David Bowie Tribute?  Robert Fischer zögert: “Ich glaube nicht, dass das in diesem Rahmen funktionieren würde. David Bowies Songs sind sehr komplex, man kann die Lieder nicht so einfach mit der Akustikgitarre singen, und für eine große Band ist kein Platz. Es muss schon alles zusammenpassen.”

Parallel zu den Tribute-Abenden entwickelte Robert ein zweites Format, bei dem er  seine Liebe für weiblich Singer-Songwriter einbringen konnte: Die Reihe “Frauen:Musik”.

“Der Hauptgedanken dabei war, jungen Talenten eine Auftrittsmöglichkeit zu bieten und sie bekannter zu machen.”

Robert lädt dazu zwei unterschiedliche Acts ein, was einen spannenden Abend garantiert. Langfristig versucht er, ein möglichst abwechslungsreiches und vielfältiges Programm zu bieten, das die Bandbreite der Musikszene widerspiegelt - von Pop, Folk, Chanson, Wienerlied, Blues bis zu moderner griechischer Musik und Liebesliedern in romanischer Sprache ist alles dabei.

Nachdem er die Künstler*innen kurz vorgestellt hat, setzt sich Robert ins Publikum, startet sein Aufnahmegerät und wird wieder zum Fan. Und in seltenen Momenten, wenn es ihn richtig packt, greift er sich eine Gitarre und singt selbst bei der Zugabe mit. Ich weiß es, ich war dabei.

Robert Fischer mit Claudia Heidegger, Galvin+Sko, Jürgen Plank 2017
“Manchmal melden sich Musikerinnen direkt bei mir, ich schau dann, wie sie ins Konzept passen. Auch wenn es nicht gleich geht - irgendwann findet sich eine Möglichkeit.”
Auch diese Konzertreihe läuft erfolgreich seit 2013 und hat es mittlerweile auf mehr als 60 Veranstaltungen gebracht. Besonders stolz ist der Veranstalter, dass es ihm gelungen ist, Mira Lu Kovacs für einen Soloauftritt zu gewinnen, als sie gerade mit “Schmied´s Puls” für Aufsehen sorgte. Bei Fräulein Hona war die Bude zum Bersten voll. Schöne Erinnerungen für Robert Fischer.

“Das Schöne ist ja, wenn man gewisse Künstler*innen begleitet über einen langen Zeitraum.”

 Nicht immer läuft alles nach Plan, aber daraus entstehen manchmal die schönsten Konzerte. “Letztes Jahr hatten wir bei einigen Konzerten Probleme mit Absagen, Musiker wurden krank oder fielen aus sonstigen Gründen aus, bei einem Konzert sagten beide Acts ab, und ich stand 2 Wochen vor dem Konzerttermin ohne Sängerinnen da.” In diesem Fall hilft ein großes Netzwerk an Kontakten. “Schließlich sprangen Petra Feuerstein und Klara Krenek kurzfristig ein, und es wurde ein sehr schönes Konzert.”

2020
Als Alexia Chrysomalli und Diana Rasina im Februar auf der Bühne der Arena Bar stehen, sind schon die ersten Schatten des Virus zu spüren, ich überlege mir schon, ob ich eine Umarmung zur Begrüßung riskieren kann. Es ist vorerst das letzte Frauen:Musik Konzert.

Wie geht Robert Fischer mit diese Zwangspause um?

“Ich versuche, was möglich ist, in den Herbst zu verschieben, das nächste Leonard Cohen Tribute im TAG im September ist schon fixiert. Walter Salas-Humara, den ich sehr schätze und der schon einmal hier war, musste seine ganze Tour absagen, er wird aber 2021 ins FLUC kommen. Ich hoffe, dass im Herbst wieder Live Konzerte in der Arena Bar möglich sein werden, hoffentlich ohne Maske, weil das ist eher unsexy.”
Aber er kann der Situation auch etwas Positives abgewinnen.

“Das Veranstalten macht mir immer noch Spaß, aber es ist mit sehr viel Arbeit verbunden, und ich komme kaum zum Reflektieren. Ich glaube, nach acht Jahren ist es nicht schlecht, neue Ideen zu sammeln, vielleicht das Konzept etwas zu variieren. Vielleicht erfinde ich ja eine neue Konzertreihe!”

(Ich nahm übrigens Roberts Einladung damals nicht an. Ein schwerer Fehler, es war das ausverkaufte legendäre Konzert von Fräulein Hona.)