Freitag, 30. September 2016

Love Song oder Apokalypse? Claudia Heidegger und Paula Tebbens im Kramladen, 27.9.2016


Die Singer/Songwriterszene boomt in Wien, so kommt es mir zumindest vor. Viele Lokale und Cafes bieten Auftrittsmöglichkeiten an, Open Mic Nights zum Beispiel, es werden aber auch Konzerte unter Brücken oder in Wohnzimmern organisiert. Das geht natürlich nur bis zu einer gewissen Größe, und ob dabei finanziell für die KünstlerInnen etwas überbleibt, wage ich zu bezweifeln.








Aber das ist ein anderes Thema, eigentlich wollte ich damit nur sagen, dass ich als Zuhörer mich freue, dass so viele junge und nicht mehr so junge KünstlerInnen sich der Musik widmen, dass dieser innere Drang, sich durch Musik, durch Lieder ausdrücken zu wollen, egal, wie die Umstände auch sein mögen, immer noch da ist. So entstehen gute, wichtige Songs, Songs, die uns vom Leben erzählen, die uns zum Lachen bringen, zum Weinen und zum Erkennen.




Claudia Heidegger aus Österreich spielt überwiegend ruhige, nachdenkliche Lieder, selten haut sie richtig in die Saiten ihrer Gitarre. Die Texte verlangen aber auch nach leisen Tönen, sind sensible persönliche Auseinandersetzungen mit dem Leben, den Ängsten, Träumen, und Erwartungen.




Ein großes Thema ist auch die Auseinandersetzung der Sängerin mit ihrem Glauben, mit Gott und seiner weltlichen Vertretung, der Kirche. Ein tiefgehender Konflikt, der schon eine Inspirationsquelle für viele Künstler war und ist. Aktuell geht zum Beispiel Bruce Springsteen in seiner Autobiographie sehr ausführlich auf seine prägenden Erfahrungen mit den kirchlichen Institutionen und die Auswirkungen auf sein Werk ein.




"Love Song oder Apokalypse?" Vor diese Wahl stellt uns Claudia Heidegger für ihren letzten Song, und wir entscheiden uns praktisch ohne Gegenstimme für die Apokalypse. Wie sie das meint, erklärt sie uns auch: 
In ihrem Song "The book is always open" (ich hoffe, ich erinnere mich korrekt), geht es um die Wichtigkeit der permanente Selbstreflexion der eigenen Taten, und zwar jetzt, immer, nicht erst am jüngsten Tag, durch einen (ver)urteilenden Gott. Das ist auch das Lied, dass mich am meisten beeindruckt hat. 



Ich finde es sehr mutig, besonders in heutigen Zeiten, sich diesen doch sehr intimen Fragen mit eigenen Songs zu stellen, und die Zuhörer daran teilhaben zu lassen.
Die Zuhörer heute im Kramladen belohnen die Anstrengungen der Künstlerin mit konzentriertem Zuhören und natürlich entsprechendem Beifall.




Paula Tebbens, der Hauptact des Abends, kommt aus Berlin, lebt aber hauptsächlich in Kopenhagen. Sie ist mit Laila Nysten unterwegs auf einer kleinen Tour durch Österreich und Deutschland. Die beiden kommen gerade aus Graz, ihre Rucksäcke liegen in der Ecke auf der Bühne, gleich neben den Gitarren- und Violinenkoffern.




Ihre Musik ist rhythmusbetonter, beschwingter und lässt Bluegrass Einflüsse erahnen. Einen großen Anteil daran hat die von Laila Nysten gespielte Violine. Perfekt auch der zweistimmige Harmoniegsang der beiden. Ich kann es gar nicht glauben wenn sie erzählen, dass sie erst vier Konzerte gemeinsam gespielt haben!




Während des gut einstündigen Sets übernimmt Laila Nysten teilweise die Moderation, sie scheint die geborene Entertainerin zu sein, und zwischen den beiden entsteht ein unterhaltsamer Dialog, fast eine Doppelconference.




Die sympathische Sängerin konzentriert sich eher auf das Singen. Ihr Stimme klingt tiefer und rauher, als man es erwartet hätte, und auch ihre Songs sind erdig, persönlich aber auch politisch. Nähere Details werde ich hoffentlich beim Durchhören ihrer CD "Falling must be like this" herausfinden.




Bleibt nur zu hoffen, dass Paula Tebbens und/oder Laila Nysten bald wieder ihre Rucksäcke packen und nach Wien kommen.