Patti Smith steht auf der Bühne. Lenny Kaye mit den Händen an der Gitarre neben ihr.
Langsam setzt sie ihre Brille auf, während Lenny ein hypnotisches, absteigendes Gitarrenthema beginnt.
"Holy, Holy!"
zitiert sie Allen Ginsbergs "Footnote to Howl".
"The world ist holy. The skin is holy."
Die ersten Bassnoten von Tony Shanahan, Oliver Ray an der zweiten Gitarre greift das Thema ebenfalls auf.
"Everything is holy! everybody’s holy! everywhere is holy! everyday is in eternity! Everyman’s an angel!"
Jay Dee Daugherty am Schlagzeug wartet, beobachtet, bevor er zuerst kaum hörbar, dann immer lauter seine Trommeln schlägt. Der Rhythmus des Gedichts wird dichter, Patti spuckt die Worte aus wie in Trance, immer lauter, immer schneller. Die Textblätter hat sie längst zu Boden gefegt, die letzten Zeilen schreit sie uns entgegen:
"Holy the supernatural extra brilliant intelligent kindness of the soul!"
Die langen Haare verdecken ihr Gesicht fast völlig, die Musik schwillt an, plötzlich hat sie eine Klarinette in der Hand, bläst hinein, dissonante Töne, dreht sich dabei im Kreis, immer schneller.
Dann mit einem Schlag Ruhe.
"Hello Vienna!"
Wels 2009 |
Dabei hatte ich Patti Smiths Musik erst mit Erscheinen von "Gone Again" 1995 richtig kennengelernt. Sie kehrte damit nach 15 jähriger Abwesenheit (nur unterbrochen vom Album "Dream Of Life" 1988) wieder auf die Musikbühne zurück. Ihre Zeit davor hatte ich noch nicht aktiv miterlebt. "Because the Night" kannte ich natürlich, aber den Rest habe ich mir danach rasch, aber umso intensiver angeeignet.
Burgtheater Wien 2007 |
Patti Smith hat mich mit ihrem Werk - Songs, Gedichten, Romanen, Zeichnungen, Photographien - aber vor allem mit ihrem Vorbild - seit damals begleitet und inspiriert. Eine Zeit lang habe ich jedes verfügbare Interview mit ihr verschlungen, las über ihre Wertschätzung für Freunde, Weggefährten, Vorbilder, ihre vielfältigen Interessen und Inspirationsquellen quer durch alle Lebensbereiche, ihre Liebe zur Kunst und den Künstlern, ihren unerschütterlichen Glaube an die Kraft der Menschen, die Welt zum Bessern zu verändern.
Graz 2009, foto: David Graf |
1998 war trotz Veröffentlichung des nächsten Albums "Peace and Noise" keineswegs klar, ob ihre Rückkehr ins Rampenlicht von Dauer sein würde, so viel war ihr passiert, so viele Weggefährten hatte sie verloren, und die traurige Liste wird jedes Jahr länger. Mittlerweile ist ihr zweiter Karriereabschnitt schon wesentlich länger als ihr erster, und auch wenn sie schon länger keine neue Platte mehr herausgebracht hat, spielt sie immer noch unzählige Konzerte, alleine, akustisch in kleiner Besetzung, oder mit ihrer ganzen Band. Hier in Wien haben wir uns ja schon fast daran gewöhnt, dass sie mindestens einmal im Jahr vorbeikommt, und auf der Bühne tobt, schreit, musiziert und inspiriert, und ich will mir nicht vorstellen, dass es einmal nicht mehr so sein wird.
Bis 10. November 2016 ist eine Auswahl ihrer Photographien im Rahmen der Viennale im Metrokino zu sehen.
Bis 10. November 2016 ist eine Auswahl ihrer Photographien im Rahmen der Viennale im Metrokino zu sehen.