Katerstimmung und Ratlosigkeit bei Musikern und Publikum bei day one nach der Präsidentschaftswahl in den USA. Immer wieder kommt Stephan Stanzel an diesem Abend darauf zu sprechen, versucht seine Gefühle zu artikulieren. Bestürzung. Wut. Resignation. Wie sollen wir damit umgehen? Geht jetzt alles den Bach hinunter? Könnte man nicht die Zeit zurückdrehen, "Take me back"?
Aber nicht nur deswegen ist das Konzert von "A Life, A Song, A Cigarette" in Duobesetzung (Lukas Lauermann am Cello, Stephan Stanzel am Gesang und der Gitarre) heute eine Herausforderung. Der Geräuschpegel der Zuschauer ist beim "Gschupften Ferdl" hoch, es wird gegessen und geplaudert.
Trotzdem schaffen es die beiden Musiker, sich Gehör zu verschaffen. Das liegt einerseits an den Songs, denn nach vier Platten hat die Band einen großen Backkatalog mit einigen Hits und Songs mit hohem Wiedererkennungswert; vor allem aber an der intensiven und intimen Interpretation dieser Songs und dem musikalischen Können der beiden. Von meinem Platz aus beobachte ich genau, was Lukas Lauermann da mit seinem Cello alles anstellt, mal zupft er lässig, mal streicht er zärtlich, dann klopft er wütend mit dem Bogen oder produziert durch Auf- und Abfahren am Hals unheimliche, gespenstische Töne. Stephan Stanzel singt und bearbeitet seine Akustikgitarre mit vollem Körpereinsatz, schließt die Augen und streckt seinen Körper am Sessel durch wie eine Bogensehne.
Durch die Konzentration auf das Wesentliche hört man sogar bekannte Songs wie "Marie" oder "Blindhearted" neu, und manche Melodielinien, die in Vollbesetzung eher im Hintergrund liefen, schleichen sich nun in den Vordergrund. Bei der wunderschönen Version von "Sweet Carolina", einem Song von Ryan Adams, kann man fast eine Stecknadel fallen hören.
Zwischen den Songs verrät der Sänger schon mal die Entstehungsgeschichte einzelner Songs, oder gibt Hoteltipps (Hartberg!). Aber immer wieder kommt er auf die Präsidentschaftswahl zurück, und erinnert uns - und vielleicht auch sich selbst - , dass wir immer noch diesselben sind, dass wir viel zu geben haben und dass wir morgen den Weg - unseren Weg - der Empathie und Solidarität weitergehen werden. Aber heute brauchen wir noch eine Zugabe. Mindestens.