Es ist kalt heute abend, als ich vom Karlsplatz aus Richtung Margaretenstraße marschiere. Heuer scheint der Winter schon früher dran zu sein, aber zumindest ist es trocken. Lateinamerikanische Musikfetzen dringen schon zu mir, bevor ich mein Ziel erreicht habe. Das Konzert von Rosa Sanchez hätte eigentlich schon längst zu Ende sein sollen, aber so genau nimmt das hier niemand im Kulturraum Neruda.
Die Worldmusic Sesssions, deretwegen ich gekommen bin, werden wohl heute etwas verspätet anfangen, wie eigentlich immer, seit ich hierher komme. Heute ist das ein Glück, denn so erlebe ich noch eine halbe Stunde des Konzertes des Rosa Sanchez Quartetts mit. Das Neruda ist ziemlich voll, ich muss mich zwischen Bar und den vor der Bühne aufgestellten Sessel vorbeiquetschen.
Rosa Sanchez Quartett |
Obwohl das erste Konzert zu Ende ist, werden es eher mehr Zuhörer als weniger hier, ich habe Glück und erwische im allgemeinen Chaos einen Platz an der Bar. Der Soundtechniker ist etwas hektisch, irgendwas stimmt mit dem Kabel von Hadar Noiberg nicht. Sie ist eine israelische Jazz Flötistin, die in New York lebt und am Sonntag im Rahmen des Klezmore-Festivals in Wien auftreten wird.
Inzwischen habe ich den zweiten Kaffee getrunken, das Lokal ist noch voller geworden.
Die Sessions sind zweigeteilt, zuerst ein Konzert der jeweils angekündigten Gäste, dann folgt in wechselnder Besetzung der Session Teil. Das zweite Kabel will auch nicht so recht, erst das dritte Kabel passt. Das Konzert startet, es entwickelt sich ein Dialog zwischen der Hadar Noibergs Flöte, Golnar Shahyars Stimme und und Mahan Mirarabs doppelhalsiger Gitarre. Bei den nächsten Songs komplettieren dann Rina Kaçinari am Cello und Amir Wahba an der Percussion das Quintett. Israelische und iranische Musiktraditionen treffen hier aufeinander, mit einer ordentlichen Portion Improvisation. Auch wenn ich die unterschiedlichen Musikrichtungen nicht auseinanderhalten kann, fasziniert mich die Freude am Gemeinsamen, die sich dadurch ausdrückt. Die Neugier, ohne Scheu eine fremde Kultur kennenzulernen. Die Lust zum gemeinsamen Musizieren.
Bei der Session danach stößt unter anderem die kurdische Sängerin Sakina Teyna dazu, ich weiß gar nicht, wie viele Länder und Kulturen jetzt vertreten sind. Ein echter melting pot. Die Stimmung wird immer ausgelassener, im Hintergrund feiert jemand seinen Geburtstag mit Sprühkerzen, es wird mitgeklatscht und gesungen. Diese Sessions geben mir immer neue Zuversicht, dass Dialog und Annäherung möglich sind.
Es ist langsam spät geworden, schweren Herzens verlasse ich den Kulturraum und mache mich auf den Heimweg, obwohl die Session noch nicht zu Ende ist, und ich nehme wir vor, diesmal nicht so viel Zeit bis zum nächsten Besuch verstreichen zu lassen.