Seit dem Frühjahr 2016 habe ich Anne Dromeda mehrmals live in Wien erlebt, ihre Songs haben sich heimlich bei mir eingeschlichen und festgesetzt, und ich habe mich immer schon auf das nächste Konzert gefreut, wenn ich sie wieder hören konnte.
Schon beim ersten Mal, als die Sängerin noch solo auftrat, kamen mir die Lieder schon fast perfekt ausgearbeitet vor, die farbigen und abwechlsungsreichen akustischen Gitarrenarrangements, die Melodien, in denen man sich gleich zu Hause fühlt, auch wenn man sie noch nie gehört hat, die Texte, die Geschichten erzählen, über Rückblicke und Zweifel (Paint me a rose), über die Rollen, die wir spielen müssen (Welcome to my theatre) und die Lust, einmal in neue Rollen zu schlüpfen (Cinema Noir) oder die Hoffnungen auf einen Neubeginn (Hoping for a phoenix).
Bei den letzten beiden Konzerten hatte die Künstlerin einen Kontrabassisten dabei, der behutsam zusätzliche rhythmische und manchmal melodische Akzente setzte.
Heute, endlich die Albumpräsentation: Freude, dass ich die Lieder endlich mit nach Hause nehmen kann, aber auch leiser Zweifel, ob die Produktion dem vertrauten Songmaterial gerecht wird und es nicht durch irgendwelche Produktionstricks verändert. Ein Debütalbum bestimmt oft für lange Zeit das Bild, das man sich über einen Künstler macht, man denke nur, wie lange Bruce Springsteen brauchte, um vom "Neuen Dylan" aus "Greetings from Asbury Park" zur Rock´n´Roll Zukunft von "Born to Run" zu werden.
Dan Knoppert |
Der Andrang zur Live-Präsentation ist groß, der Kramladen bis zum letzten Platz gefüllt, einige müssen (oder wollen) das Konzert von der Bar aus verfolgen. Dan Knoppert eröffnet erfolgreich wie schon im Siebenstern mit seinen hintergründig-bösen Liebesliedern, nach denen man es sich zweimal überlegt, ob man wirklich eine Beziehung eingehen möchte.
Danach folgt die Aufführung des Videos zu "Cinema Noir", dem ersten Video der CD. Anne Dromeda hat es produziert und liefert auch einen schauspielerischen Kurzauftritt, der vom Publikum ausgiebig bejubelt wird.
Dann endlich die Live-Präsentiation der elf Songs der CD, mit Victor-Ezio Gabriel am Kontrabass und Marie-Therese Goiser am Piano, beide haben auch auf der CD mitgewirkt. Von Anfang an herrscht Feieratmosphäre, jeder Song wird mit Freude begrüßt, kleine Unsicherheiten werden nicht nur verziehen, sondern tragen auch zur Einzigartigkeit des Abends bei. Der Glitzerball verteilt seine Lichtpunkte über das Gewölbe des Kramladens, fast so wie die Sterne der Milchstraße, die der CD ihren Namen gibt. Über einige Songs verrät Anne Dromeda mehr, so ist "Hoping for a phoenix" einer Freundin gewidmet, der sie schon vor 15 Jahren ihren Traum, Musikerin zu werden anvertraut hat. Und im Song "We might fly" sind Anspielungen an ihre musikalischen Vorbilder eingebaut. Als Zugabe stellt die Künstlerin schon zwei neue Songs vor, für Nachschub ist also gesorgt.
Und die CD? Die Zweifel waren umsonst, die Lieder wurden so unmittelbar umgesetzt, als ob sie live gespielt würden. Piano, Kontrabass und Mandoline fügen Farbtupfer hinzu, im Vordergrund stehen aber die akustische Gitarre und Anne Dromedas klare, warme Stimme, die ganz nahe wirkt. Die Songschreiberin kann mit dem Begriff "Singer/Songwriter" wenig anfangen, zu umfassend und ungenau ist ihr diese Bezeichnung. Sie nennt ihre Lieder lieber"Psychedelic chanson". Als Vorbilder nennt sie Oasis, die Beatles oder Leonard Cohen - ja, ich glaube, ich habe die Anspielungen mit Hilfe des Textbooklets entschlüsseln können - , ich höre aber auch die ganze Linie weiblicher Folksängerinnen, von Joni Mitchell bis Suzanne Vega in ihren Liedern. Ein gelungenes Debüt, das hoffentlich viele neue Hörer erreichen wird.
Anne Dromeda - Collision with the Milky Way, Lindo Rec.
Anne Dromeda - Collision with the Milky Way, Lindo Rec.